Subarktische Kalkalgenriffe im Spiegel hochfrequenter Meeresspiegelschwankungen und interner biologischer Steuerungsprozesse.

Freiwald, André (1993) Subarktische Kalkalgenriffe im Spiegel hochfrequenter Meeresspiegelschwankungen und interner biologischer Steuerungsprozesse. (PhD/ Doctoral thesis), Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Kiel, Germany, 207 pp.

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Abstract

Riffe haben seit den Arbeiten DARWINS nichts von ihrer Faszination als Objekte biologischer und geologischer Forschung eingebüßt. So widmet sich der DFG-Schwerpunkt "Riff-Evolution und Kreide-Sedimentation" der Erforschung von Steuerungsprozessen in diesen bedeutenden Ökosystemen an ausgewählten fossilen und rezenten Fallbeispielen. Das Riff, das in dieser Untersuchung vorgestellt wird, wächst in einem vor wenigen Jahrtausenden noch vergletscherten Gebiet in Nordnorwegen nördlich des 70° Breitengrades. Es stellt sich daher vorrangig die Frage nach dem Faktorengefüge, welches eine Riftbildung unter hochboreal-subarktischen klimatischen Bedingungen ermöglicht. Die Beantwortung dieser wichtigen Frage umschlieBt eine Analyse von geologischen und biologischen Prozessen, die sich in unterschiedlichen zeitlichen Maßstaben abspielen: von den intra-annualen Zyklen (Fortpflanzung, Stürme, etc.) bis hin zu MILANKOVITCH-Zyklen in der Größenordnung von 104 bis 105 Jahren. Das untersuchte Riff hat eine Ausdehnung von 125000m2 und existiert seit mindestens 200 Jahren. Obwohl die Kalkalgen nur ca. einen Millimeter pro Jahr wachsen, liegen die Karbonatproduktionsraten von durchschnittlich 1400g m-2 Calziumkarbonat pro Jahr in etwa in der Größenordnung tropischer Kalkalgen. Die Ursache liegt im außerordentlich hohen Konkurrenzvermögen der langsamwachsenden Kalkalgen gegenüber anderen schnellwüchsigen sessilen Karbonatproduzenten, z.B. Balaniden, Bryozoen, Serpuliden und Spirorbiden. Der weitgehende Ausschluß dieser sessilen Invertebraten von der lebenden Kalkalgenoberfläche führt zu einem geringdiversen, jedoch außerordentlich dicht besiedelten Kalkalgen-Ökosystem. Die Steuerung ist das Ergebnis komplexer co-evolutiver Wechselwirkungen zwischen Kalkalgen, Bakterien und den Larven herbivorer Organismen. Diageneseprozesse beginnen in vivo, beschränken sich jedoch auf die Zementation intrapartikularer Zellhohlraume der Algenthalli. Dadurch erfahren die Algen frühzeitig eine interne Stabilisierung. Neben der Bioerosion kontrollieren Stürme das Sedimentationsgeschehen im Riff. Die-Riff-assoziierten Sedimentstrukturen lassen sich auf Sturmereignisse zurückführen. Dabei entstehen in Abhängigkeit von der Küstentopographie charakteristische sedimentäre Fazies. Sturmumlagerungen vor einer geschlossenen Küstenlinie erzeugen parallele Fazieszonen um das Riff. Die Masse des umgelagerten Riffschutts wandert in Richtung Strand. Algen-Bioherme in einem Sund weisen eine einsinnig gerichtete Faziesabfolge auf. Hier kommt es zu episodiscben Dislokationen bis in die Fjordtröge. Bedingt durch die glazio-isostatische Hebung Fennoskandiens erlauben großflächige Landaufschlüsse eine hohe zeitliche Auflösung der Etablierung der Karbonatfazies nach dem Ende des letzten Glazials. Karbonatsedimente sind seit dem Atlantikum (8000-5000 J.v.h.) vorhanden. Die Karbonatproduktion wurde auch im Holozän von Kalkalgen dominiert. Jedoch belegen die 14C-Alter autochthoner subtidaler Kalkalgen-Bivalven-Gemeinschaften episodische Produktionsphasen um 6000 bis 5500 J.v.h und 4800-3800 J.v.h. In diese Zeitintervalle fallen auch bedeutende Umlagerungsereignisse, die durch weitläufige Strandwall-Ablagerungen dokumentiert sind. Jüngere Strandwälle, die den sukzessiven Rückzug des Meeres von den sich hebenden Küstenplattformen belegen, wurden vor 3400-2600 J.v.h. und 1800-900 J.v.h. angelegt. Das Auftreten der Produktionsphasen der subtidalen Karbonatproduzenten und die massiven Umlagerungsphasen stehen im Einklang mit den hochfrequenten Meeresspiegelfluktuationen, die seit 6000 Jahren im Untersuchungsgebiet nachzuweisen sind. Biogene Karbonatproduktion durch Kalkalgen ist immer dann bedeutend, wenn die insgesamt regressive Tendenz, bedingt durch die Hebung des Untergrundes, durch eustatische Transgressionen kompensiert wird. In diesen Zeiten herrschen 'stabile' hydrographische Umweltbedingungen hinsichtlich des Meeresspiegelniveaus vor. Während dieser Phasen können Sturmereignisse große Strandwallsysteme im Intertidal aufbauen. Die Untersuchungen zeigen, daß bereits wenige Tausend Jahre nach dem Rückzug der Gletscher bedeutende Karbonatproduktion bis hin zur Bildung von Riffen einsetzen kann.

Document Type: Thesis (PhD/ Doctoral thesis)
Thesis Advisor: Schäfer, Priska
Research affiliation: Kiel University
Date Deposited: 25 Aug 2023 08:28
Last Modified: 25 Aug 2023 08:28
URI: https://oceanrep.geomar.de/id/eprint/59124

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